Batterien sind das wichtigste und auch teuerste Bauteil eines Elektrobusses. Dabei wird viel Hochtechnologie verbaut und mit Elektronik gespickt. Aber wie geht es den Batterien nach Jahren der Nutzung und was sagt das in Bezug auf die Lebensdauer und den Wiederverkaufswert oder die Garantieleistungen aus? Anhand der Terabyta an Daten, die aus dem Batteriemanagementsystem kommen, analysiert die Firma volytica diagnostics seit Jahren schon den Gesundheitszustand von Akkus. Und immer häufiger geht es auch um deren Brandsicherheit.
Wir hatten vor etwa zwölf Jahren die einmalige Situation, dass wir schon damals viele Elektrobusse – zum Beispiel von der ehemaligen Göppel Bus GmbH – aufgrund unterschiedlicher Forschungsvorhaben überwacht haben. Aber niemand wusste, wie es den Batterien wirklich geht. Wir sammelten so zahlreiche Felddaten und konnten diese dann – wahrscheinlich als erste Forscher in Europa überhaupt – mit unseren Verfahren der Batterieanalyse kombinieren. Daraus entwickelten wir über die Jahre eine eigene, server-seitige Lösung. Durch die hohe Nachfrage etlicher Industriepartner haben Sebastian Stoll, unser CTO, und ich dann im Jahr 2019 volytica gegründet.
Das ist eine Gratwanderung. Je genauer analysiert werden soll, desto mehr Daten werden benötigt. Bevor darüber nachgedacht wird, zusätzliche Daten zu erheben, sollten die vorhandenen Daten genutzt werden – und ja, diese sind in der Regel ausreichend! Mittlerweile gibt es Standardisierungs-bestrebungen zur Vereinheitlichung der Datenlage, wie die neue VDV 238-Norm. Ich persönlich bin skeptisch, ob zusätzliche Sensoren, wie zum Beispiel Gas-Sensoren, wirklich einen Nutzen bei einer Branddetektion hätten. Wenn Defekte so stark fortgeschritten sind, dass sie unmittelbar detektierbar werden, ist es meistens bereits zu spät. Dies gilt ebenfalls für Temperaturanomalien.
Wir nutzen alle Daten, die im Rahmen des VDV-238-Standards definiert sind, wie z. B. Batteriespannung und -strom, Temperaturen und Ladungszustand (SoC). Diese Daten werden durch Flottenmanagement- bzw. Telematik-Systeme vom Großteil der Fahrzeugbesitzer systematisch gesammelt. Unsere Lösung – die wir „vdx engine“, also die „volytica diagnostics-Maschine“ getauft haben – greift über Schnittstellen auf diese Datenschätze zu und „übersetzt“ die unbehauenen Rohdaten in eine Reihe relevanter Kenngrößen. In etwa wie ein Blutbild: Blut rein, Werte raus. Nur geben wir zusätzlich Kritikalitätseinschätzungen und Lösungsanweisungen, beispielsweise ob eine mögliche Anomalie vorliegt, die ein Verfügbarkeits- oder gar ein Sicherheitsproblem darstellen kann. Die Ergebnisse werden auf einem eigenen Dashboard angezeigt oder direkt in das Flottenmanagementsystem zurück übertragen – wie beispielsweise in die Lösung von INIT und CarMediaLab.
Wir analysieren die Teilflotte eines großen deutschen Verkehrsbetriebs. Dieser nutzt ein etabliertes Flottenmanagementsystem und sammelt
fortlaufend die nötigen Batteriesignale. Die vdx engine ist direkt via Schnittstelle angebunden und analysiert kontinuierlich diese Daten.
Vor wenigen Monaten haben wir so eine Anomalie detektiert, die auf ein Problem mit einzelnen Zellen hinweist. Das ist, wohl gemerkt, möglicherweise sicherheitskritisch. Leckschlagende Zellen, bzw. Zellen mit dieser Entwicklung, können Gefahr für Leib und Leben darstellen! Durch unsere Anomalie-
Erkennung konnte Fahrzeug außer Betrieb genommen und das Batteriesystem mit Hilfe des Herstellers untersucht werden. Punktlandung!
Genau die Zellen, die von volytica identifiziert wurden, waren auf dem Weg ihres baldigen Endes.
Ja, das haben wir sogar zuerst gemacht. Das Thema Sicherheit ist erst relativ spät dazu gekommen. Dabei geht es vor allem um die streitfreie
Feststellung des Verschleißgrades von Batterien. Wichtig zu erwähnen: wir sind dabei weder der Anwalt des Fahrzeug – Besitzers noch des Herstellers.
Wir bieten eine nüchterne und neutrale Analyse der Sachlage. Bei dem größten Weiterverkauf gebrauchter E-Busse in den Niederlanden 2022 waren wir mit TÜV Nord genau diese neutrale Stelle, die eine faktenbasierte Restwertverhandlung des teuersten Verschleißteils der Mobilitätswende erst ermöglicht hat.
Die Rolle des Hubs hat einen enorm großen Einfluss! Wir sprechen in der Regel vom dem sogenannten „SoC-Fenster“, oft wird auch vom „Depth of Discharge“ (DoD) gesprochen. Bei einem Betrieb zwischen 90 Prozent Batterieladung am Morgen und 30 Prozent am Abend ist der Hub also 60 Prozent in einem 90 > 30 Prozent-Fenster. Viele Li-Ionen-Batteriechemietypen reagieren erheblich auf das im Betrieb „überstrichene“ Fenster. So kann die Lebensdauer vieler – aber nicht aller – NMC-basierter Batterien (Nickel-Mangan-Kobalt) beinahe verdoppelt werden, wenn statt 90-30 Prozent einfach zwischen 70-10 Prozent betrieben wird – also bis zu 15 Jahren anstatt von den kalkulierten acht Jahren, bei gleichem Fahrdurchsatz!
Generell sind niedrigere Abstellladezustände für die meisten Batterietypen schonender. Die Batterie altert leider auch signifikant, wenn sie „rumsteht“. Es warten viele Milliarden Euro und viele Millionen Tonnen Batterien auf ihre Chance für ein Second oder auch Third Life, anstatt ungenutzt ins Recycling zu gehen oder auf Halde zu liegen.
Wir sind zu 100 Prozent technologieoffen. Fakt ist aber auch, dass eine Technologie mit einer flachen OCV-Kurve („Open Circuit Voltage“) in
kompletter Ruhe-Kennlinie wie LFP- (Lithiumeisenphosphat) und LTO- (Lithium-Titanatoxid) Batterien schwieriger zu diagnostizieren sind – das
geht aber zu sehr ins Detail. Gerade LFP mit seinen vielen Vorteilen bringt deswegen viele betriebliche Probleme mit sich.
In der Ausschreibung sollte sichergestellt werden, dass der Hersteller alle nötigen Diagnosedaten für ihn offenlegt, so die Mindestsignalliste
der VDV 238-Norm. Je nach Chemie gibt es weitere Tipps, wie zum Beispiel, die Batterie nicht zu voll zu laden bzw. generell ein Konzept zum Lademanagement zu erstellen.
Quelle: Ausgabe Juli 2023 Bus Blickpunkt
Thorsten Wagner, Chefredakteur bei Bus Blickpunkt auf LinkedIn